Zu den Fassungen der von mir interpretierten Otto-Reutter-Couplets
Als praktizierender Theaterdramaturg fühle ich mich bemüßigt, einiges zur Textauswahl von Couplets und Strophen, zu mitunter vorgenommenen kleineren Textveränderungen und zum musikalischen Arrangement anzumerken: Wenn Sänger und Instrumentalbegleiter in Personalunion agieren, so hat dies Vor- und Nachteile. So schrieb einst Kurt Tucholsky über Otto Reutter: „Welch ein Künstler! Alles geht aus dem leichten Handgelenk, er schwitzt nicht, er brüllt nicht, er haucht seine Pointen in die Luft, und alles liegt auf dem Bauch. Ein Refrain immer besser als der andere – und er stand da und machte ein dummes Gesicht.“ Ich stehe nicht da, sondern sitze, begraben unter der Last meines Akkordeons – und jeder Akkordeonist weiß, wie schwer Musik ist! Insofern kann es dann schon mal vorkommen, dass ich im Gegensatz zum Originalinterpreten auch mal ins Schwitzen komme, aber zumindest ein dummes Gesicht kann auch ich im Sitzen machen. Natürlich kann man sich als Sänger, begleitet von einem Klavierspieler, voll auf die Textinterpretation und den sängerischen Ausdruck konzentrieren, ohne Angst vor der Bewältigung des nächsten Zwischenspieles haben zu müssen. Dennoch hat die Personalunion von Sänger und Begleiter nicht nur organisatorische und finanzielle Vorteile, deren Wichtigkeit auch nicht unterschätzt werden sollte, denn ein Künstler ist in der Regel billiger als zwei… – entscheidend ist jedoch etwas anderes: Wenn ich mich selbst auf dem Akkordeon begleite, erreiche ich eine interpretatorische Einheit von Gesang und Begleitung, die man so mit einem Fremdbegleiter in der Regel nicht hinbekommt. Ich kann die Besonderheiten des Textes so noch viel stärker umsetzen, kann das Tempo verzögern oder anziehen, die Lautstärke verändern, Zäsuren machen und auch sonst die ganze Palette interpretatorischer Möglichkeiten auskosten, ohne als Sänger Angst haben zu müssen, ob mein Begleiter mir in diesem Augenblick folgt oder nicht. Otto Reutter hat nicht selten zeitlose Themen des menschlichen Zusammenlebens im Kleinen aufgriffen und so umgesetzt, dass sie uns heute noch immer ansprechen und amüsieren. Vieles war allerdings auch ganz konkret auf seine Zeit bezogen und ist daher heute für uns Nachgeborene nur schwer verständlich. Deshalb heute sind von den über eintausend Reutter-Couplets, selbst wenn man sie denn alle wieder rekonstruieren könnte, ein- bis zweihundert aufführbar. Innerhalb einiger Couplets, selbst der berühmtesten, gibt es Strophen, die uns heute nicht mehr ansprechen. Bei meinem Programm habe ich versucht, das Zeitlose vom Tagesaktuellen zu trennen und herauszufiltern. Dieses Anliegen spiegelt bei der Programmzusammenstellung nicht nur in der Coupletauswahl, sondern eben auch in der Strophenauswahl wider. In einigen wenigen Fällen habe ich mir auch erlaubt, einzelne „überholte“ Textstellen zu „modernisieren“, soweit dies dem Verständnis des Ganzen dienlich ist. Wenn sich Otto Reutter also etwa in den Couplet „Ick kann det Tempo nicht vertragen“ mokiert: „Nee, det Jeräusch in eenem fort: det Klingeln, Rasseln, det Jeläute: det Radio hier, der Fernruf dort“ entspricht dies so im Konkreten nicht mehr unserer Alltagserfahrung, die wir aber im Ganzen in diesem Lied durchaus wiederfinden können. Daher habe ich mir hier erlaubt, „Radio“ und „Fernruf“ durch „Fernseher“ und „Handy“ einzusetzen. Weitere Beispiele könnte ich anführen. Generell sind diese Änderungen aber immer recht moderat. Abschließend noch ein Satz zum Interpretationsstil: ich versuche mich bei meinen Interpretationen so eng wie möglich an den Originalinterpreten anzulehnen: Otto Reutter himself, dessen Aufnahmen ja auch noch heute bekannt sind. Nach Einschätzung derer, die mich als Reutter-Interpret schon erlebt haben, gelingt mir das auch ganz gut. Aber überzeugen Sie sich doch selbst und laden Sie mich zu sich ein!
Ihr
Ivo Zöllner
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